500 Jahre Gesangbuch
Vom Flugblatt zur gebundenen Ausgabe
Das Jahr 1524 ist das Geburtsjahr des Gesangbuchs. Das neu entdeckte Evangelium, dass Gott alle Menschen ohne ihren Verdienst allein aus Gnade liebt und annimmt, will nicht nur gepredigt werden, sondern auch gesungen – sowohl in deutschsprachigen Gottesdiensten als auch in privater Andacht
Rückblickend schreibt Martin Luther in seiner letzten Vorrede zu einem Gesangbuch (1545): „Gott hat unser Herz und Mut fröhlich gemacht durch seinen lieben Sohn, welchen er für uns gegeben hat zur Erlösung von Sünde, Tod und Teufel. Wer solches mit Ernst glaubet, der kann`s nicht lassen, er muss fröhlich und mit Lust davon singen und sagen, dass es andere auch hören und herkommen.“
Die Reformation war also auch eine Singe-Bewegung. Im Sommer 1523 hatte Luther begonnen, deutschsprachige Lieder zu schreiben. Damit hatte er ein neues Transportmittel gefunden, auf dem seine reformatorische Erkenntnis weitergetragen werden konnte.
1524 ging es dann Schlag auf Schlag: Luther hatte noch andere reformatorische Liederdichter gewonnen, zum Beispiel Paul Speratus (1484 –1551). Mit ihm stellte er eine erste Sammlung von reformatorischen Kirchenliedern zusammen. Sie erschien im Frühjahr 1524 in Nürnberg als „Achtliederbuch“ mit dem Titel „Etliche christliche Lieder, Lobgesang und Psalmen, dem reinen Wort Gottes gemäß“. Damit begann die Reihe evangelischer Gesangbücher, von denen allein im 16. Jahrhundert fast 500 verschiedene Ausgaben herausgegeben wurden.
Schon im Spätsommer 1524 erschienen in Erfurt zwei umfangreichere „Handbüchlein“ mit reformatorischen Liedern. Und im Spätherbst gab Martin Luther ein „Geistliches Gesangbüchlein“ heraus. Für dieses hatte der Torgauer Kantor Johann Walter (1496 –1570) zu 43 Liedern vierstimmige Chorsätze komponiert. Luther, der dazu 24 Lieder beitragen konnte, schrieb in seiner ersten Gesangbuchvorrede:
„Ich wollte alle Künste, besonders die Musik, gerne sehen im Dienst dessen, der sie gegeben und geschaffen hat.“ Und das gerade auch mit Blick auf die „arme Jugend“, um sie „zu erziehen und zu lehren“.
Die technische Voraussetzung für die Verbreitung der Lieder hatte Johannes Gutenberg um 1450 geliefert durch seine Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern und der Druckerpresse. Um 1520 war der Notendruck mit beweglichen Typen erfunden worden.
Die ersten „Martinischen Lieder“ wurden als Einblattdrucke auf Flugblättern verbreitet. Zum Beispiel in Magdeburg. Ein Bericht aus dem Frühjahr 1524: „Zwischen Pfingsten und Ostern ist ein alter armer Mann, ein Tuchmacher bei (dem Denkmal des) Kaiser(s) Otto gestanden und hat allhier die ersten geistlichen Lieder feilgehabt, als ,Aus tiefer Not schrei ich zu dir‘ und ‚Es wolle Gott uns gnädig sein‘ und hat solche den Leuten vorgesungen.“
Text: Reinhard Ellsel